…ein nicht so nicer Dude?
Auf der Diözesankonferenz im Februar 2024 wurde unter anderem eine kritische Auseinandersetzung mit Thomas Morus auf Diözesanebene beschlossen. Diese Seite soll dazu dienen, den Beschluss näher verstehen zu können und soll Einblick darüber geben, warum wir Thomas Morus als Heiligen kritisch einordnen.
Thomas Morus ist der Verbandspatron der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) in Deutschland. Die folgende Übersicht soll dir einen Einblick ermöglichen, wie es zur Beschlusslage der Diözesankonferenz 2024 gekommen ist und welche Prozesse wir als Diözesanverband dabei durchlaufen haben.
- Im Sommer 2021 haben sich einige KjGler*innen gefragt, wer Thomas Morus eigentlich war. Hierbei kamen verschiedene Fragen auf: Warum ist er unser Verbandspatron? Was hat es mit “Utopia” auf sich? Was macht ihn und seine Persönlichkeit aus? Wofür hat er sich eingesetzt?
- Nachdem einige Recherchen betrieben wurden, Verbandsbeschlüsse gelesen wurden und Artikel recherchiert wurden, haben sich Diözesanauschuss, Diözesanleitung und Diözesanstellenteam bei der Jahresplanung für das kommende Jahr dazu entschieden, die alljährliche Bildungsfahrt im Herbst [LINK Beschluss] unter dem Motto „Auf den Spuren von Thomas Morus - eine Bildungsfahrt für junge Erwachsene nach London“ zu veranstalten.
- 22 junge Menschen machen sich auf den Weg nach London. Sie erleben die Stadt, erkunden London und begeben sich auf die Suche nach Spuren von Thomas Morus.
- Hierbei haben sie unter anderem an einer Stadtführung teilgenommen, wir haben das Allen Hall Seminary besucht, indem Thomas Morus lebte, wurden mit einer Walking Tour zu ihm durch Chelsea begleitet und haben uns seinen Geburtsort angeschaut.
- Während der Führung fällt vielen Teilnehmenden auf, dass die Werte der damaligen Zeit und damit teilweise auch die Werte, für die Thomas Morus eingestanden hat, nicht nicht mit den heutigen Werten der KjG übereinstimmen.
- Weiterhin stößt der Fakt, dass Thomas Morus sich für die systematische Verfolgung und Verbrennung von Protestanten eingesetzt hat, negativ auf.
- Die Teilnehmenden stellen sich zunehmend die Frage, für was Thomas Morus bei uns im Verband steht und inwiefern wir uns als Jugendverband mit einem Patron aus dem 15. Jh. identifizieren.
- Der Wunsch nach einer historischen Einordnung und einer Einordnung durch unsere Mitglieder wird immer größer und somit auch die Idee, einen Antrag dazu auf unserer nächsten Diözesankonferenz (November 2022) zu stellen.
Die Diözesankonferenz im November 2022 hat erstmals beschlossen, dass geprüft werden soll, ob Thomas Morus weiterhin als Verbandspatron geeignet ist. Sollte dies nicht der Fall sein, soll eine Prüfung vorgenommen werden, ob die Möglichkeit einer Ernennung eine andere Person möglich sei oder ob es überhaupt einen Schutzpatron in dieser Form bedarf.
Bis zur Diözesankonferenz im April 2023 hat der Diözesanausschuss an der Thematik weitergearbeitet und einen Arbeitskreis gegründet, um ein Expert*innen Gremium für die Thematik zu schaffen.
- Auf der Diözesankonferenz im April 2023 hat der Diözesanausschuss den Rechenschaftsbericht zur Beschlussumsetzung der Anträge vorgelegt und im Rahmen des beschlossenen Antrages von 2022 ein Stimmungsbild der Konferenz abgefragt.
- In diesem Stimmungsbild wurde durch grüne bzw. rote Stimmkarten die Wahrnehmung der Konferenz zu folgenden Möglichkeiten eingefangen:
- 1. ein*e alternative*r Schutzpatron*in,
- 2. eine Erweiterung zur Doppelspitze,
- 3. Beibehaltung mit kritischer Einordnung,
- 4. kein Patron mehr und
- 5. Beibehaltung des Ist-Zustandes
- Das Stimmungsbild ergab, dass die Option eines*r alternativen Schutzpatron*in die meisten positiven Stimmen erhalten hat.
- Dieses Ergebnis hat der Diözesanausschuss zur Weiterarbeit mitgenommen.
- Der Diözesanausschuss hat erneut betont, dass weitere Punkte zu Morus diskutiert werden müssen und festgestellt, dass die Kritik an Thomas Morus erstmal berechtigt ist. Es lässt sich jedoch festhalten, dass er sich dennoch stark für die katholische Lehre und Kirche gegenüber dem König einsetzte und sich historisch gesehen auch für fortschrittliche Werte für die damalige Zeit eingesetzt hat.
- Denn bspw. eine Scheidung sorgte damals dafür, dass Frauen wie Ware ausgewechselt und ermordet werden konnten. Durch den Einsatz für die Ehe wurde damals also auch das Leben der Frauen geschützt. In der heutigen Zeit ist dieser Wert jedoch nicht so bedingungslos zu unterstützen und auch für uns als sehr kritisch zu betrachten. Wir wollen, dass sich alle Menschen selbsbestimmt für und auch gegen die Ehe entscheiden können.
Auf der Diözesankonferenz im Februar 2024 wurde erneut ein Antrag zum zukünftigen Umgang mit Thomas Morus zur Debatte gestellt. Die Konferenz beschloss für den weiteren Umgang mit Thomas Morus folgende Punkte:
- In der gesamten Arbeit des Diözesanverbandes wird Thomas Morus in Zukunft nicht mehr als Verbandspatron hervorgehoben.
- Der derzeitige Thomas-Morus-Preis, der an KjGler*innen und Gruppen verliehen wird, die sich durch besonderes Engagement auszeichnen, wird in Seelenbohrer-Preis umbenannt. Zudem soll geprüft werden, ob es ein passendes berühmtes Zitat gibt, um die Ehrung zu personalisieren.
- Die Informationen zu Thomas Morus auf unserer Website bleiben erhalten, solange keine bundesweite Beschäftigung mit dem Thema stattgefunden hat. Sie werden in Zukunft ergänzt um eine kritische Einordnung der Person Thomas Morus, ihrer historischen Rolle und der Kontexte der viel zitierten Aussagen.
- Thomas Morus ist derzeit der Patron der gesamten KjG in Deutschland. Deswegen bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Thematik auf Bundesebene. Die Diözesanleitung wird damit beauftragt eine solche Auseinandersetzung auf der nächsten Bundeskonferenz durch einen Antrag zu initiieren. Dieser Antrag soll ergebnisoffen formuliert sein, um eine offene Debatte auf Bundesebene zu ermöglichen.
Aber wer ist Thomas Morus eigentlich?
Der Patron der KjG
Biographie
Thomas Morus wurde am 6. Februar 1478 in London geboren. Er machte sich schon in jungen Jahren einen Namen als Anwalt, Politiker, Gelehrter und Schriftsteller. Mit 25 Jahren war er bereits Mitglied des englischen Unterhauses.
Als überzeugter Christ hatte Thomas Morus lange überlegt, ob er Mönch oder Jurist werden sollte. Letztlich entschied er sich für eine weltliche Laufbahn als Jurist. Dies hinderte ihn jedoch in keinerlei Weise daran, sich mit theologischen Fragen zu beschäftigen und in der Kirche Verantwortung zu übernehmen.
Gleichberechtigte Ausbildung seiner Kinder
Während im Mittelalter der Glaube an die Vorbestimmtheit des Menschen durch sein unentrinnbares Schicksal vorherrschte, glaubte der Humanist Morus an die Vernunft und Handlungsfreiheit, die jedem Menschen von Gott gegeben ist. In diesem Bewusstsein erzog und lehrte Thomas Morus seinen Sohn und seine drei Töchter. Dass seine Töchter die gleiche akademische Ausbildung bekommen konnten wie sein Sohn, war Morus sehr wichtig. Damit war er seiner Zeit weit voraus, denn Mädchen konnten damals nicht einmal die Schule besuchen. Für die Bildung anderer Mädchen & Frauen setzte er sich jedoch nicht besonders auffällig ein.
Morus steht zu seiner (christlichen) Überzeugung
Unter König Heinrich VIII. – bekannt wegen seiner zahlreichen Ehefrauen – war Thomas Morus ein angesehener Politiker. Als sich der Papst weigerte, die erste Ehe Heinrichs aufzulösen, wollte sich der König von der römisch-katholischen Kirche trennen und selbst Oberhaupt der englischen Kirche werden. Heinrich brauchte einen klugen Politiker, um sein Vorhaben dem Volk schmackhaft zu machen, doch Morus ließ sich dafür nicht gewinnen, sondern stand fest zur Einheit der Kirche. Den Eid, den Heinrich die Bischöfe und seine Beamten schwören ließ, verweigerte Thomas Morus. Auch als er daraufhin in den Londoner Tower eingesperrt wurde, blieb er seinem Glauben und seinem Gewissen treu. Am 6. Juli 1535 wurde Thomas Morus enthauptet.
Seinen Humor, für den Thomas Morus bekannt war, hat er sich bis zuletzt bewahrt. Eine Anekdote erzählt, dass er den Henker bei seiner Hinrichtung gebeten habe, beim Zuschlagen mit dem Beil auf seinen Bart zu achten, da dieser keinen Hochverrat begangen habe.
Utopia – das Hauptwerk des Thomas Morus
Als Schriftsteller wurde Thomas Morus mit seinem lateinisch verfassten Werk “Utopia” berühmt. Es erschien 1516. Das Buch beschreibt die Lage der Insel Utopia und ihre wesentlichen Einrichtungen. Hinter dem Lob des utopischen Staates verbirgt sich beißende Kritik an den bestehenden Staaten seiner Zeit.
“Utopia” ist…
… der Inselstaat im Nirgendwo, in dem die Menschen in Gleichheit, Einheit und Frieden zusammenleben.
… die Kritik an Staats- und Wirtschaftsformen der damaligen Zeit, die heute noch aktuell ist.
… der Traum von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.
Thomas Morus – Haltung
Nicht nur die Inhalte, für die Thomas Morus steht, sind für die KjG immer noch von Bedeutung. Er stand teilweise für Werte, die für die KjG als ehrenamtlicher Kinder- und Jugendverband auch ein Vorbild sein können:
- kritisch mitdenken
- verantwortlich handeln
- auf das Gewissen hören
- den Visionen trauen
- den Humor nicht verlieren
Thomas Morus macht deutlich, dass „nur Mitlaufen“ und „langes Diskutieren“ – ohne die Bereitschaft zur Entscheidung und zum Handeln – keine Aussicht auf Erfolg haben.
„Nie hätte ich daran gedacht, einer Sache zuzustimmen, die gegen mein Gewissen wäre!“
Thomas Morus